List of Blogs
Finanzmarktkrise
Finanzmarktkrise
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich werde versuchen, Ihnen im vorgegebenen Rahmen - und deshalb unter Inkaufnahme von einigen
Vereinfachungen und Auslassungen - die komplexe Materie der zumeist unter US-Subprime Krise
bekannten Finanzmarktkrise darzulegen, deren Beginn nunmehr zwei Jahre zurück liegt und deren Ende nicht abzusehen ist.
Die Ursprünge der weltweiten Finanzkrise liegen in einem relativ schmalen Geschäftssegment USamerikanischer
Hypothekenfinanzierer, den Krediten an sogen. ‚Subprimes’. D.s. ‚zweitklassige’
Kreditnehmer mit gestörtem Zahlungsverhalten/Mahnverfahren in der Vergangenheit,
konjunkturabhängige Kleinstgewerbetreibende (Hilfsdienste), Gelegenheitsarbeiter/Geringverdiener,
zerrüttete Verhältnisse (familiär, hohe Schulden u.ä.), und häufig zweite oder dritte Hypothek.
Naturgemäß bringen diese risikoreicheren Ausleihungen höhere Spreads als Kredite an Prime lenders.
Ausgangspunkt der US-Subprime Krise: Der verbreitete Wunsch nach einem Eigenheim (auch von
finanziell schwachen Bevölkerungsteilen), verbunden mit leichtfertiger – manche sagen ‚unseriöser’
oder gar ‚betrügerischer’ – Kreditvergabe durch die Hypothekenfinanzierer/-vermittler und einem
niedrigen Zinsniveau, führten zu einem Boom auf dem US-Häusermarkt, der die Preise in
unrealistische Höhen steigen ließ.
Laxe Kreditbedingungen: keine kritische Bonitätsprüfung (höchstens Selbstauskunft), anfänglich
mehrere tilgungsfreie Jahre, mehr als 100%ige Finanzierung der Immobilien (inkl. Einrichtung, Auto
u.a. langlebige Konsumgüter) bei bereits traditionell hoher Verschuldung der US-Haushalte - da zum
Zeitpunkt der Kreditaufnahme die Preissteigerungen der Immobilien die (variablen) Zinsen deutlich
überstiegen (= Asset based lending).
Ursachen der Probleme: nach Ende der ununterbrochenen Zinssenkungsphase 2000-2004 wieder
steigendes Zinsniveau, was zu erhöhten Belastungen (wg. Zinsanpassungen) für die lfd. und
Anschlussfinanzierungen führt. Das trifft v.a. finanziell schwache ‚subprime’ Kreditnehmer.
Gleichzeitig tritt das Ende der Immo-Preissteigerungen ein, v.a. in schlechten Lagen kommt es bereits
zu einem Preisrückgang. Hinzu kommt - nach 10 Jahren ununterbrochenen Aufschwungs - eine
spürbare Konjunkturabkühlung in den USA – die Angst vor einer Rezession greift um sich.
Auswirkungen: Subprime-Hypothekenforderungen werden von den Kreditnehmern nicht mehr
vertragsgemäß bedient, fallen aus. Zunehmende Notverkäufe/Zwangsversteigerungen (2007: +75%)
von Immobilien drücken deren Preise immer tiefer (enormer Angebotsüberhang – betrifft den
gesamten Wohnimmobilienmarkt!). Betroffene Hypothekenbanken und andere Immo-Finanzierer
müssen beträchtliche Wertberichtigungen (WB) und Abschreibungen vornehmen, da die offenen
Forderungen (Kredite+Zinsen) häufig den Immo-Wert (Sicherheiten bzw. Veräußerungserlöse)
übersteigen und die Ausfälle der vielfach überschuldeten Kreditnehmer zunehmen – was sie aber aus
Reputationsgründen zunächst nach außen verschweigen. Nach vielfachen Gerüchten/ersten Meldungen
über die Probleme kommt es zu einer zunehmenden Verunsicherung/Risikoaversion und Abkehr/
Aufgabe der refinanzierenden Marktteilnehmer (Banken, Fonds u.a.) mit der Folge, dass die
Hypothekenfinanzierer - trotz steigender Zinsen/Margen (Risikoaufschläge) - keine hinreichenden
Anschlussfinanzierungen für fällige Kreditfazilitäten erhalten und nun ihrerseits Hypothekenforderungen
aus ihren Büchern mit sichtlichen Abschlägen (Abschreibungsverluste!) verkaufen müssen.
kurz: die US-Subprime-Hypothekenkrise war ausgebrochen.
Parallel und im Anschluss dazu:
Um die enorme Kreditvergabe durch die Banken ohne entsprechende Erhöhung deren Eigenmittel
(EK) durchführen zu können, mussten die Kreditbestände wieder lfd. abgebaut werden. Zu diesem
Zweck bündeln und verbriefen (‚arrangieren’) die Hypothekenfinanzierer/Banken (‚Originator’) ihre
Forderungen, indem sie letztere an sogenannte ‚Special purpose vehicles’/SPVs (Zweckgesellschaften
ohne wirkliches EK und Eigentümer) verkaufen/auslagern, welche zur Refinanzierung
2
(forderungsbesicherte) Anleihen (RMBS, CMBS) in mehreren Tranchen emittieren, die von anderen
Finanzgesellschaften (Banken, Fonds, Versicherungen uam.) zu Anlagezwecken gekauft werden.
Diese Tranchen erhalten regelmäßig ein oder mehrere Ratings von internationalen Ratingagenturen,
die von AAA (bestes Rating), über BBB (mittleres Risiko) bis zu einer ungerateten Junior Tranche
(hohes Risiko, trägt das erste Ausfallrisiko) reichen. Anmerkung: Während die - volumenmäßig
größten - AAA-Tranchen der Emissionen für die Anleger als risikolos (allerdings auch mit mäßiger
Rendite) angesehen wurden (und häufig von Pensionsfonds u.ä. erworben wurden), übernahmen
insbes. Hedge-Fonds zur Rentabilitätsverbesserung auch mäßiger geratete (= höher verzinste)
Tranchen; die - relativ kleine - Junior Tranche verblieb meist beim Originator (der damit das höchste
Risiko trug). Zur Ratingverbesserung für die Emissionen wurde häufig eine Anleiheversicherung
gegen Ausfälle abgeschlossen (Credit Default Swap).
Zum Ausgleich von unterschiedlichen Cash flow Strömen zwischen Aktiv-/Passivseite (z.B. Eingang
der variablen Zinszahlungen von den Kreditnehmern, Abfluss der fixen Kuponzahlungen) wurde
diesen SPVs regelmäßig eine - zeitlich und betragsmäßig begrenzte – Liquiditätslinie und/oder
Swapvereinbarung vom Originator, Arranger oder einer Drittbank zur Verfügung gestellt.
Anmerkung: Auch Kreditkartenforderungen, Studentenkredite, Leasingforderungen,
Autofinanzierungen u.a. Forderungen wurden vergleichbar verbrieft (Asset backed securities/ABS).
Um die Erträge dieser Verbriefungspapiere - durch Nutzung von Zinsarbitrage und Hebelwirkung - zu
verbessern und die vorgeschriebene EK-Unterlegung weiter zu verringern, wurden diese – oft
gemeinsam mit traditionellen Anleihen und anderen Papieren mit Verbriefungsbezug bzw. deren
Derivaten – von den Investoren/Banken (‚Sponsoren’) nach Anlageklassen gebündelt und auf ‚Special
investment vehicles’, auch Conduits genannt, ausgelagert und häufig fristeninkongruent mit geringem
Einsatz von EK-ähnlichen Mitteln wie Capital oder Income Notes über den Kapitalmarkt refinanziert.
Die EK-ähnlichen Notes tragen das erste Ausfallrisiko und dienen so der Risikoabschirmung, damit
die überwiegenden (Hebel!) Fremdkapital-Tranchen (Asset backed securities-collateralized debt
obligations/ABS-CDOs und ABCPs) ein sehr gutes Rating erhalten (und deshalb eine niedrig
verzinsliche Refinanzierungsquelle darstellen). Auch hier stellt der Sponsor u./o. Drittbanken idR. eine
Liquiditätslinie zur Abdeckung von Cash flow Inkongruenzen und als Refinanzierungs-Back up zur
Verfügung.
Insgesamt wurden – wg. der relativ schmalen Margen – enorme Volumina bewegt, angesichts der
zumeist sehr guten Ratings und dem positiven Track record (bis dahin keine signifikanten Ausfälle)
aber als risikolos betrachtet. Besonders Investment-Banken mit schmaler oder heftig umworbener
Kundengeschäftsbasis bedienten sich dieser Erträge um die Kundengeschäfte zu subventionieren
und/oder die Ertragsrechnung aufzubessern. Weltweit sind als Folge der Globalisierung eine ganze
Reihe bekannter Banken/Finanzdienstleister in diesem Geschäftsfeld engagiert – teils als Arranger/
Sponsoren, teils als WP-Investoren. Die Verbreitung der betroffenen Papiere ist mangels Markttransparenz
nicht mehr nachvollziehbar. Fast jede große Bank steht im ‚Verdacht’ involviert zu sein.
Da die hinter den Papieren stehenden Portfolien (Konsumentenkredite, Prime/Subprime Hypotheken
bzw. MBS/ABS, Derivate, Anleihen usw.) mehr oder weniger lfd. umgeschichtet werden (wg.
Fälligkeiten, Ausfällen, Struktur/Ratingerfordernissen uam.) wissen die Investoren/Banken oft selbst
nicht mehr, welche Risiken sie in den Büchern oder den von ihnen arrangierten SPV/SIVs haben.
Der Bonitäts- und Wertverfall dieser weltweit und intransparent verbreiteten Investments im Gefolge
der US-Subprime Krise, dessen Ausmaß und Breite von niemandem (auch nicht den Ratingagenturen,
Anleiheversicherern und Aufsichtsbehörden) erwartet wurde, führte zu einem Vertrauensschwund
zwischen den Banken, so dass der Markt (Neuemissionen und Sekundärmarkt) für RMBS, CMBS als
wesentlichste (verbriefte) Refinanzierungsquellen für Hypothekenbanken (über 50%!) - aber auch von
(forderungsunterlegten) CDOs von ABS und ABCP mit Hypothekenhintergrund - weitgehend zum
Erliegen kam. Diese Liquiditätsklemme traf naturgemäß besonders Länder mit niedriger Sparquote
(USA, UK) und führte in einer ersten Welle zur Schließung von betroffenen (Immobilien-) Fonds und
Insolvenz von (kleineren) Hypothekenbanken. Das setzte - mangels Transparenz des Marktes und vor
dem Hintergrund zunehmender Risikoaversion - eine Spirale in Gang, die nicht nur das Subprime
Segment sondern alle durch Hypothekenkredite unterlegten Refinanzierungsfazilitäten betraf; es
bestand sogar die Gefahr des Überschwappens auf weitere Verbriefungssegmente (v.a. Konsum).
3
Verbriefungspapiere waren mittlerweile - auch wenn sie nur teilweise durch Hypotheken unterlegt
waren - selbst mit erheblichen Abschlägen (Abschreibungsverluste!) mangels Nachfrage nicht mehr
handelbar und bleiben seitdem in den Büchern der Investoren (Banken, Versicherungen, Fonds uam.)
und belasten deren Bilanz durch Refinanzierungs- und EK-Erfordernisse bzw. deren Ertragsrechnung
durch Wertberichtigungen und/oder EK- sowie Refinanzierungskosten. Nur Investoren mit langem
Atem - sprich hinreichend EK sowie Refinanzierungsmittel und die Potenz, deren Kosten über einen
längeren Zeitraum zu tragen - haben die Möglichkeit, diesen Liquiditätsengpass zu überstehen und die
Chance, bei Fälligkeit der CDOs den gesamten - oder bei partiellen Ausfällen deren Collaterals einen
Teil des - Nennwert(s) zurück zu erhalten.
In dieser schwierigen und unübersichtlichen Situation ging auch das restliche Vertrauen der Banken
untereinander verloren – keine Bank wusste, welche Risiken in den Büchern der Geschäftspartner
steckten und ob sie ihre Ausleihung ggfls. fristgerecht sowie vollständig zurück bekommen würde, so
dass schließlich selbst zu erhöhten (Risiko-) Margen kaum mehr benötigte Liquidität/
Refinanzierungsmittel verliehen wurden; die Refinanzierungsquellen versiegten auf breiter Front.
-> die Finanzmarktkrise, de facto eine Vertrauens- und Liquiditätskrise, war weltweit evident.
Krisenbewältigung – Sofortmaßnamen und nachhaltige Ansätze
Um einen Zusammenbruch der Finanzsysteme infolge der Vertrauens-/Liquiditätskrise abzuwenden
und ein Übergreifen auf die Realwirtschaft zu verhindern, haben Regierungen und Zentralbanken in
beispielloser Einigkeit Rettungsmaßnamen ergriffen bzw. initiiert:
Zentralbanken stellen den Finanzmärkten verstärkt bis massiv länger laufende (bis ½ Jahr) Liquidität
zur Verfügung (‚lender of last resort’) und nehmen teilweise - anders als früher - verbriefte
Hypothekenforderungen im Rahmen von Repo-Geschäften als Sicherheiten an (de facto Übernahme
der Hypothekenrisiken durch den Staat).
Senkung der Leitzinsen und Zinssubventionen des Staates für Kreditverlängerungen (v.a. USA, UK)
-> ermäßigt Zinsbelastung bei Geld- bzw. Kreditaufnahme/Refinanzierung und stimuliert dadurch die
Konjunktur (aber auch die Inflation).
Konjunkturprogramme und Steuererleichterungen: halten die Binnenkonjunktur am Laufen ->
vermeidet Arbeitslosigkeit, Kreditausfälle im Konsum-/Bausektor und allg. Rezession (v.a. USA).
Rettung gefährdeter Banken durch Übernahmen (USA: Countrywide/BoA, Bear Stearns/JPMorgan,
BRD: LB Sachsen/LBBW), Garantien (Bayern LB/Freistaat Bayern, WestLB/NRW+Sparkassen- und
Giroverband) oder Verstaatlichung (UK: Northern Rock, BRD: IKB/Mehrheit zur staatlichen KfW).
Eine Verschärfung der einschlägigen Aufsichtsregelungen und Konsolidierungsvorschriften (z.B.
SPVs) sowie die Kapitalunterlegung von ABS-Transaktionen und außerbilanziellen Positionen (z.B.
kfr. Kreditzusagen für Refinanzierung) wird gefordert bzw. bereits (Basel II) vorgeschrieben.
Die Einhaltung von Mindeststandards für die Transparenz von Ratings sowie dem Umgang mit
Interessenkonflikten und Sorgfaltspflichten der Ratingagenturen, wie sie im Iosco-Kodex niedergelegt
sind, soll verschärft überwacht und der Einfluss der Ratings verringert werden.
Die Möglichkeit wird diskutiert, die Bewertungsregeln von IFRS und US-GAAP (fair value gemäß
mark-to-market) partiell auszusetzen, wie es beispielsweise 2001-3 für Versicherungen in Deutschland
geschah (Aufhebung des strengen Niederstwertprinzips). Die Wertberichtigungen sind bislang
überwiegend Buchverluste – es gibt keinen Markt/Käufer (z.Zt. Bewertung mark-to-model).
Banken unterstützen die Anleiheversicherer (‚Monoliner’) mit EK, damit diese ihr hervorragendes
Rating behalten können und deshalb auch die von ihnen garantierten Anleihen (der Banken) das
Bestrating beibehalten. Allerdings ist dieser Weg vorläufig gescheitert (Ratingherabstufung!).
4
Massive EK-Erhöhungen der betroffenen Banken (Risikodeckung und Verlustausgleich!) und
verschärfte Kreditvergabebedingungen (wirken sich erst mfr. aus).
Gefährdungspotentiale - Blick auf betroffene Länder im Einzelnen
Deutschland:
Vom deutschen Hypothekenmarkt selbst gehen bislang keine erhöhten Risiken aus, da die
Kreditvergabe vgl.weise konservativ erfolgt, d.h. die Beleihungsgrenzen liegen idR. unter 80% des
Verkehrswertes der zu finanzierenden Immobilie, teilweise sogar bei 60% (großer Sicherheitspuffer!)
und die Zinsen werden fast durchgängig lfr. fest geschrieben (solide Kalkulationsbasis!).
Der (deutsche) Pfandbrief - ebenfalls ein Hypotheken-Verbriefungspapier zur Refinanzierung – blieb
bislang v.a. infolge der strengen gesetzlichen Deckungs-Vorschriften (Gläubiger-/Vertrauensschutz!)
von der Finanzmarktkrise weitgehend verschont.
Die Wohn-Immobilienpreise bewegen sich seit Jahren nur minimal – mit leicht sinkender Tendenz
(keine Immobilienblase wie in anderen Ländern). Die Inflation beeinträchtigt zwar den Konsum,
mindert aber die relative Schuldendienstquote/verfügbares Nominaleinkommen.
Deutsche Banken haben/hatten zwar kaum direkte Forderungen im US-Subprime Sektor, aber partiell
erhebliche Investments in Verbriefungen von US-Hypotheken (Eigenheime/RMBS;
Gewerbeimmobilien/CMBS), Konsumforderungen (Kreditkarten, Autos u.a. ABS) und sonstige,
direkte und/oder verbriefte Kredite an Monoliner, Private Equity Gesellschaften, Hedge Fonds uam.
Diese sind wegen der Finanzmarktkrise kaum handelbar und belasten erheblich die Bilanzen der
Banken/Investoren (EK, Refinanzierung) sowie deren Ertragsrechnung (Wertminderungen/
Wertberichtigungen und Ausfälle, v.a. von risikotragenden Verbriefungstranchen) bei steigendem
Euribor (Interbankenzinssatz).
Viele Verbriefungen werden via SPVs, Conduits u.ä. außerhalb der Bilanz, aber häufig mit
Refinanzierungs-/Liquiditätszusagen gehalten. Mangelnde Refinanzierungsmittel vom
Interbanken/Kapitalmarkt zwingen zur Einlösung der Liquiditätszusagen und/oder zu Notverkäufen
mit erheblichen Abschlägen/Verlusten (kein Markt!) oder - falls der Investor/Bank dazu in der Lage ist
- die Aktiva in die eigenen Bücher zu nehmen und voll selbst zu refinanzieren (inkl. EK-Unterlegung).
Eine hohe Abhängigkeit vom Interbanken/Kapitalmarkt kann angesichts der ausgetrockneten
Refinanzierungsquellen (Vertrauenskrise!) in Verbindung mit den gefallenen Preisen
(WB/Abschreibungsbedarf!) existenzielle Auswirkungen haben (siehe die aktuellen Beispiele: IKB,
Landesbanken). Hier sind Banken mit einer stabilen Kundeneinlagenbasis deutlich im Vorteil,
unterliegen jedoch verstärkt einem Reputationsrisiko (‚Run auf Einlagen’). Soweit – auch
wertberichtigte – Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden können und nicht vorher (partiell)
ausfallen, wird dann idR. der volle Nominalbetrag vereinnahmt.
Beispiele betroffener Banken:
International tätige Hypotheken- und Geschäftsbanken haben direkte und verbriefte Hypotheken- und
andere Forderungen in ihren Büchern, was angesichts mangelnder Handelbarkeit (Vertrauenskrise!)
und partiellem Wertverfall zu Wertberichtigungen und Abschreibungen (Ausfälle!) führt.
Landesbanken erhielten durch Gewährträgerhaftung Top-Ratings und deshalb preisgünstige Mittel am
Kapitalmarkt, die sie in SIVs/Conduits (‚off balance’) als anscheinend risikolose Ertragsquellen
angelegt haben (keine EK-Erfordernisse). Zusätzlich gaben sie umfassende Liquiditätszusagen für
diese Gesellschaften ab. Der mittlerweile ausgetrocknete Refinanzierungsmarkt für verbriefte
Forderungen (Liquiditätskrise!) und der Preisverfall der Aktiva (anfänglich Notverkäufe, inzwischen
kein Markt!) führten zu erheblichen Verlusten (WB und Abschreibungen) und erforderten die
Einlösung der Liquiditätsgarantien, was die bekannten existenziellen Auswirkungen und
Rettungsmaßnahmen der Gewährträger nach sich zog.
IKB wollte offenbar mit vermeintlich risikolosen Erträgen aus ihrem Conduit ‚Rhineland Funding’
(Volumen 13 Mrd.USD) ihr Mittelstandsgeschäft subventionieren und den Marktanteil ausbauen. Die
von ihr abgegebenen Garantien wurden wegen zunehmender Wertverluste/Ausfälle bei den Aktiva
und ausbleibender Refinanzierungsmittel gezogen und brachten für die IKB das faktische Aus bzw.
erforderten die Rettungsmaßnahmen durch die staatliche KfW und andere Banken
5
Unternehmen der Realwirtschaft (Industrie, Gewerbe, Dienstleistung) bekommen die
Finanzmarktkrise und die damit verbundene (relative) Kapitalknappheit der Banken in Form
verschärfter Kreditvergabestandards (verstärkt durch die Vorgaben von Basel II) und – besonders bei
schwacher Bonität – sichtlich verschlechterten Konditionen (erhöhte Sicherheiten/Risikoaufschläge/
Absicherungskosten!) zu spüren. Hinzu kommt ein gestiegener Euribor, die Basis vieler
Unternehmenskredite. Die erhöhten Spreads haben auch zu einer spürbaren Nachfragezurückhaltung
am Markt für Unternehmensanleihen geführt.
Rückläufige Nachfrage (Konsum), verbunden mit fallenden Preisen von Neu- und Gebrauchtgütern
(Immobilien, Autos) und zunehmende Zahlungsverzögerungen bzw. Ausfälle in den von der
Finanzkrise besonders betroffenen Ländern (v.a. USA) beeinflussen das Ergebnis und den
Vorsorgebedarf von exportorientierten deutschen Industrieunternehmen (z.B. Autobauer) und
Leasinggesellschaften (fallende Restwerte).
Sonstige Investoren wie Versicherungen, Fonds, Anleger werden entweder unmittelbar durch den
Wertverfall der Verbriefungspapiere und deren Derivate in Mitleidenschaft gezogen oder indirekt
durch fallende Börsenkurse (v.a. von Finanztiteln) im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise.
Großbritannien:
Nach 15 Jahren anhaltenden Wirtschaftsaufschwungs mit überproportionalem Immobilienpreisanstieg
-> erste Anzeichen von Konjunkturabkühlung (v.a. wg. rückläufiger Konsumausgaben) und
Preisrückgänge am Wohnimmobilienmarkt, steigenden Ausfallraten und Zwangsversteigerungen. Die
britischen Haushalte weisen die höchste Verschuldungsrate in Europa auf (niedrige
Sparquote/Ausgabepräferenz), was ein zusätzliches Risikopotential bedeutet.
Der Verbriefungsmarkt - auch für Kredite an britische ‚Non-conforming lenders’ (‚Self certificated
mortgages’, ‚Buy-to-let mortgages’ u.a. ‚specialized mortgages’) - ist ebenfalls weitgehend
ausgetrocknet, d.h. es gibt keine hinreichende Refinanzierungs- und Weiterverkaufsmöglichkeit ->
kaum Neukredite/ Anschlussfinanzierungen.
Bereits erwähnt wurde die Insolvenz und Verstaatlichung der Hypothekenbank Northern Rock, die
erheblich von Verbriefungen für die Refinanzierung abhängig war, die der Markt nicht mehr
aufnahm/refinanzierte, was zu einem Reputationsschwund und einem Run auf die Einlagen führte. Die
Hypothekenbank Bradford & Bingley muss sich – nach Auslaufen befristeter Refinanzierungszusagen
- einen US-Finanzinvestor ins Haus holen und eine Kapitalerhöhung durchführen, um angesichts
zunehmender Ausfälle und mangelnder Refinanzierung (keine Prolongationen) überlebensfähig zu
bleiben. Auch die britischen Großbanken mussten infolge ihrer erheblichen Engagements in
strukturierte Verbriefungspapiere (inkl. SIVs) nach Notverkäufen mangels
Refinanzierungsmöglichkeit und fair value Bewertung (mark-to-model – kein Markt!)
Wertberichtigungen und Abschreibungen in Milliardenhöhe vornehmen.
Die britischen Bausparkassen (Building Societies) sind bislang wg. ihres Geschäftsprinzips
(Bausparverträge/Bauspardarlehen) wenig betroffen.
Anmerkung: In UK gab es bereits 1991/2 eine Immobilienkrise (Platzen der spekulativen Blase).
Spanien:
Nach jahrelang anhaltenden Immobilien-Preissteigerungen und lebhafter Bautätigkeit wg.
spekulativen Zweitwohnungskaufs (auch durch Ausländer) haben sich enorme Leerstände (15%) im
Wohnimmobiliensektor aufgebaut. Das führt aktuell zu erheblich rückläufiger Bautätigkeit (wichtiger
Sektor der spanischen Wirtschaft!), nachgebenden Immo-Preisen und steigenden Ausfallraten bei
Hypothekenkrediten. Spanische (börsennotierte) Hypothekenpfandbriefe (Cedulas Hipotecarias)
wurden in ganz Europa platziert und dienten als Basis für weitere (teilweise mehrstufige)
Verbriefungen. Sie weisen auf Grund ihrer (Sicherheiten-) Struktur bislang keine Einbußen auf.
Irland und die baltischen Staaten weisen - nach zweistelligen Preissteigerungsraten in den letzten
Jahren - ebenfalls deutlich sinkende Immobilienpreise auf (Gefahr des Platzens der Immo-Blase).
6
Schweizer und japanische Großbanken wurden von der Finanzkrise sichtlich betroffen (beträchtliche
Engagements in strukturierten Verbriefungspapieren und bei Monolinern).
USA: Am Immobilienmarkt sind angeblich bereits erste europäische ‚Schnäppchenjäger’ unterwegs
(niedrige Preise, schwacher USD). Verlustrisiko bei weiter sinkenden Preisen (Gefahr ‚ins fallende
Messer zu greifen’). Anhaltende Verluste aus unterlegten Wertpapieren (insb. Investmentbanken).
Ausblick
Ist die Finanzmarktkrise zu Ende? Nein. Allerdings scheint das Schlimmste überstanden – nach dem
Motto: Gefahr erkannt (und reagiert), Gefahr gebannt. M.E. wird der (Primär-) Verbriefungsmarkt
noch mindestens ein Jahr - bis eine weitgehende Transparenz hergestellt ist - unter der verbreiteten
Vertrauenskrise zwischen den Banken leiden (wg. anhaltendem Liquiditätsengpass).
Wertverluste und Bonitätsverschlechterungen der betroffenen Ausleihungen/Wertpapiere, verbunden
mit Wertberichtigungen/Abschreibungen bei den Banken/Investoren werden anhalten.
Der Immobilienmarkt in einigen Ländern wird auf absehbare Zeit gestört bleiben (Überangebote,
Preise der Immobilien partiell unter den ausgereichten Krediten/weitere Ausfälle).
Jedoch haben die Interventionen der Zentralbanken (v.a. USA, UK, Japan, Europa) einen denkbaren
Zusammenbruch des gesamten Finanzwesens mangels Liquidität erfolgreich abgewendet und eine
Ausbreitung auf die Realwirtschaft (‚Contagion’) verhindert. Durch partielle Leit-Zinssenkungen
wurden die Refinanzierungskosten für die Banken bei den Zentralbanken und der Schuldendienst der
Kreditnehmer bei den (Hypotheken-) Banken vermindert (und damit die Ausfall-/Notverkaufsspirale
gebremst).
Trotzdem weisen die Quartals- und Halbjahreszahlen 2008 der Banken und partiell auch der
Versicherungen sowie anderer international aktiver Unternehmen erhebliche Abschreibungen und
Wertberichtigungen (nach US-GAAP, IFRS) mit Bezug auf die Finanzmarktkrise aus. Auch Banken,
die bislang - nach eigenen Angaben - von der Krise weitgehend verschont geblieben sind, geraten
plötzlich oder verstärkt in den Strudel sinkender Aktivawerte bzw. steigender Ausfälle (Forderungen,
Wertpapiere) und - infolge Auslaufens befristeter Refinanzierungszusagen - in
Liquiditätsschwierigkeiten. Über abnehmende Gewinne und Aktienkurse sowie Ratings der
internationalen Agenturen sinkt das EK-/Risikopolster und steigen die Refinanzierungskosten.
Die Banken versuchen mit massiven Kapitalerhöhungen – soweit die Aktionäre/Investoren bei
sinkenden Kursen mitmachen – überlebens- und handlungsfähig zu bleiben (wobei auch die bislang
ungeliebten Private-Equity-Gesellschaften und Hedge-Fonds - die allerdings selbst verbreitet unter
der Finanzkrise leiden - sowie einige Staatfonds als Kapitalgeber willkommen sind). Hinzu kommen
verschärfte Kreditvergabebedingungen (erhöhte Vergabestandards und ggfls. -Margen) der Banken,
die aus einem vorsichtigeren Kredit-Risikomanagement - unterstützt durch die Vorgaben von Basel II
- resultieren.
Die anhaltende Überprüfung von Wertpapieren durch die Ratingagenturen auf ein mögliches
Downgrading mit Bezug aus die Finanzmarktkrise und die Herabstufung von Anleiheversicherern
(Monoliner) ist ein weiteres Indiz, dass die Krise noch andauert.
Insgesamt ist der Schluss zulässig, dass die Banken ihre komplexen Produkte mit mehrstufigen
Verbriefungstransaktionen bzw. deren Risiken nur ungenügend beherrschten und sich weitgehend auf
die Ratings verließen, die internationalen Ratingagenturen die (Liquiditäts-) Risiken aber (zu) lange
falsch einschätzten. Auch die nationalen Aufsichtsbehörden erkannten - mangels Transparenz und
Kompetenz – die heraufziehende Gefahr nicht rechtzeitig. Deshalb müssten die entsprechenden
Risiko- und Liquiditätsmanagementsysteme der Banken, aber auch die internationalen Regularien
(Transparenz, Konzentration, EK-Unterlegung außerbilanzieller Positionen) verbessert und verschärft
werden. Und eine Aufsicht mit entsprechendem Know how sowie Kompetenzen müsste die im
Gefolge der Globalisierung zunehmenden grenzüberschreitenden Transaktionen überwachen (z.B.
BIZ, IWF).
Damit wir wissen, von welchen Dimensionen wir hier sprechen, zum Schluss einige Zahlen:
Die US-Hypothekenkrise hat bislang rd. 1000 Mrd.USD vernichtet, der gesamte mögliche Schaden
wird auf 1.500 Mrd.USD - und inkl. möglicher Ausfälle bei Konsumforderungen und
Gewerbeimmobilien - lt. IWF auf deutlich über 2 Bio.USD geschätzt. Die enge Verflechtung der Finanzsysteme
lässt sich daran ablesen, dass „nur“ die Hälfte der bislang vorgenommenen Abschreibungen in den
USA (dem Mutterland der Krise) anfielen, 17% in der Schweiz, 15% in Deutschland, 5% UK.
Interesse an weiterführenden Informationen? Nehmen Sie unser Analyse- und Beratungsangebot in Anspruch:
www.baseresearch.de