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Die europäische Schuldenkrise. Herabstufung der Kreditwürdigkeit von Ländern: Auswirkungen auf die Ratings ihrer Unternehmen
Die jüngste Herabstufung der Kreditwürdigkeit von neun Euro-Ländern (darunter Frankreich und Österreich, die ihr Bestrating AAA verloren) durch die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) auf Grund der von ihr beobachteten Vertiefung der politischen, finanziellen und monetären Probleme dieser Länder, zeigte unmittelbar – negative – Auswirkungen, die über die betroffenen Länder hinausgehen: auf den Kurs des Euro/USD, mehrere europäische Aktienindizes (u.a. DAX) und den von allen Euro-Ländern getragenen/garantierten Euro-Rettungsschirm EFSF, dessen Rating ebenfalls um eine Stufe auf AA+ reduziert wurde (da nunmehr neben der BRD nur noch die drei kleineren Euro-Volkswirtschaften Luxemburg, Finnland und Niederlande das Bestrating AAA von den drei großen Ratingagenturen Moody’s, S&P und Fitch besitzen). Das dürfte - auch vor dem Hintergrund der eingetrübten Wirtschaftsaussichten der Eurozone - Auswirkungen auf den geplanten Hilfsmechanismus ESM haben.
Die Ratingagentur Fitch hat vorletzte Woche ebenfalls eine Herabstufung von fünf Euroländern vorgenommen, vor wenigen Tagen zog Moody’s nach – allerdings weichen die betroffenen Länder und Ratingveränderungen teilweise von jenen bei S&P ab (so behielten Frankreich und Österreich bei beiden Agenturen ihr Bestrating, allerdings mit negativem Ausblick). Ein Ende der Abstufungen aber auch möglicher (nachfolgender) Heraufstufungen ist derzeit noch nicht abzusehen.
Wenn auch die Ratingagenturen Moody’s und Fitch den Schritt von S&P (noch) nicht identisch nach- vollzogen haben – v.a. da sie bei einzelnen Ratingkriterien unterschiedliche Schwerpunkte setzen und abweichende Rating(veränderungs-)mechanismen anwenden – ist infolge der vorliegenden Fundamentaldaten ein Gleichklang in nächster Zeit nicht auszuschließen, auch da die angekündigten bzw. eingeleiteten (Sanierungs-) Maßnahmen der herabgestuften Länder und das Krisenmanagement der EU erst mfr. bis lfr. greifen dürften (und evtl. – v.a. wg. der weiter wachsenden Schulden und wirtschaftlichen Ungleichgewichte der Euroländer) nicht hinreichend sind.
Hinweis: Von der chinesischen Ratingagentur Dagong erhält z.Zt. weder Deutschland, noch Frankreich oder Österreich ein Triple A (wohl aber China!).
Ratings stellen grundsätzlich Bonitätseinschätzungen von Emittenten/Emissionen dar, die durch spezialisierte Unternehmen (Ratingagenturen) vorgenommen werden. Ähnlich sind Bonitätsbewertungen von Kredit-Schuldnern zu sehen, die von Banken u.a. Gläubigern durchgeführt werden. Erstere werden idR. im Auftrage (und gegen Bezahlung) von Emittenten vorgenommen, selten ohne Auftrag (z.B. für Vergleichszwecke der Agenturen).
Hinweis: Ratings werden grundsätzlich nur für Schuldpapiere und nicht für (Stamm-) Aktien erteilt.
Die Ratingskala für langfristig laufende Schulden (> 1 Jahr) reicht – bei allen Agenturen ähnlich – absteigend von AAA/Triple A über AA, A, BBB, BB, B, CCC, CC bis C (jeweils mit Abstufungen). Während AAA (= Bestnote) die höchste Kreditwürdigkeit ausdrückt (‚Ausfälle sind so gut wie ausgeschlossen‘), drückt die C-Kategorie ein extrem hohes Ausfallrisiko aus: die planmäßige Zahlung von Zinsen und Tilgungen ist äußerst unwahrscheinlich und nur bei außergewöhnlich guten finanziellen und wirtschaftlichen Entwicklungen/Rahmenbedingungen zu erwarten.
Anders ausgedrückt steht jede Ratingnote für eine bestimmte Ausfallwahrscheinlichkeit (definiert als Störung der planmäßigen Tilgung der Schulden und Zinszahlungen). So haben die AAA und AA Kategorien im Jahr der (erstmaligen) Beurteilung ein Ausfallrisiko von nahezu Null, während C um einen Wert von 20% schwankt. Der Teilbereich von AAA bis BBB- wird als Investment-Grade/Niveau bezeichnet (ein Zahlungsausfall ist – abgesehen bei einer deutlich negativen Entwicklung des Umfeldes – nicht zu erwarten), der Teilbereich von BB+ bis C als Non-Investment Grade/Spekulatives Niveau bezeichnet (Junk-Bonds/Ramsch-Anleihen). Bereits eingetretene Zahlungsausfälle (z.B. bei einem Schuldenschnitt) werden zumeist mit D klassifiziert.
Hinweis: Neben diesen langfristigen Ratings (Laufzeit> 1 Jahr) vergeben die Agenturen u.a. Kurzfristratings (emittierte Schuldpapiere mit einer Laufzeit bis 1 Jahr), welche mit abweichenden Notationen bezeichnet werden (z.B.: Prime 1-3, F 1-3, Single A-D).
Auch sektorspezifische Ratings wie Länder-, Banken- und (Nichtbanken-) Unternehmensratings – ggfls. unterschieden nach Heimat- und Fremdwährungsverpflichtungen – sind üblich. Ein spezielles Sektorrating ist das ‚Financial Strength Rating‘, das die interne Bonität (‚Stand-alone financial health‘) einer Bank, d.h. ohne Einflüsse von Dritten (z.B. Unterstützung/Belastung durch einen Konzern oder ein Land) ausdrückt.
Hinweis: Wegen der engen Korrelation zwischen Country Rating (Länderrating) und Sovereign Rating (Rating der Regierung eines Landes bzw. deren Emissionen) wird häufig nicht zwischen beiden differenziert.
Das Country Ceiling (Länderplafond für Unternehmensratings) berücksichtigt die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Land Kapitalverkehrsbeschränkungen (Transfer, Konvertibilität) erlassen werden, in deren Folge die Unternehmen ihre auf Fremdwährung lautenden Verbindlichkeiten nicht bedienen können (T&C-Risks). Es ‚deckelt‘ sozusagen die Ratings von Unternehmen in einem Land, d.h. dass grundsätzlich kein Unternehmen ein Rating über dem Country Ceiling erreichen kann (Ausnahmen!). Hinweis: Da es innerhalb von Währungsgemeinschaften wie dem Euro-Raum keine Transferbeschränkungen gibt (und baw. auch keine geben soll), erhalten alle Euroländer gegenwärtig (noch) ein Country Ceiling von AAA, während die individuellen Länderratings variieren.
Abgesehen von dramatischen Entwicklungen oder als Ergebnis von Sonderprüfungen aus aktuellem Anlass - wie die gegenwärtige Länderschuldenkrise - werden die Länder/Sovereigns jährlich einmal einer intensiven Überprüfung mit anschließender Neueinstufung oder ggfls Bestätigung des vorliegenden Ratings unterzogen. Positive oder negative unterjährige Ereignisse/Entwicklungen (die beim permanenten Monitoring auffallen) führen zur Einbeziehung der Länder in einen sogannten ‚Beobachtungsstatus mit Ausblick auf Herab-/Heraufstufung‘ – der bei der regulären Überprüfung in eine Neueinstufung übergeführt oder aufgehoben wird. Vor diesem Hintergrund kommen Ratingveränderungen – insbesondere für die betroffenen Länder (welche den Agenturen auch Auskünfte geben bzw. Informationen zur Verfügung stellen und idR. vorab vom Ergebnis unterrichtet werden) – selten überraschend (und sind zumeist bereits in den Kursen der betroffenen Schuldpapiere eingepreist). Das heißt, die Ratingagenturen reagieren nicht auf jede bonitätsrelevante Änderung mit einer Herab-/Heraufstufung des Schuldners, was ihnen auch häufig vorgeworfen wird (aber die von den Investoren geforderte weitgehende Kontinuität eines Ratings sicherstellt und eine ‚Self-fulfilling prophecy‘ vermeidet)).
An dieser Stelle soll kurz auf die - auch aus Regierungskreisen - zuletzt wiederholt ventilierte Idee einer europäischen Ratingagentur eingegangen werden, um die Dominanz der angeführten ‚amerikanischen‘ Agenturen zu brechen. Endziel dieser Maßnahme ist natürlich eine bessere Einstufung der europäischen Länder zu erhalten (v.a. in Zeiten von Länderschuldenkrisen), die einem mutmaßlich besseren Verständnis der europäischen Verhältnisse durch eine europäische Agentur entspringen soll. Allerdings ist bereits an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass sich die deutschen Unternehmen erst jüngst hinter die großen Ratingagenturen gestellt haben.
Abgesehen davon, dass Fitch eine in französischem Mehrheitsbesitz befindliche Agentur mit Hauptsitzen in London und New York ist, abgesehen von den (über Jahrzehnte) mannigfaltigen und letztendlich gescheiterten Versuchen eine international beachtete und anerkannte ‚europäische‘ Ratingagentur zu gründen und abgesehen auch von der Tatsache, dass die angeführten Agenturen - mit Niederlassungen und Analysten in allen bedeutenden Wirtschaftsregionen - mit ihren Ratings die gesamte Welt abdecken (und nicht nur Europa), müsste auch die angestrebte europäische Ratingagentur unabhängig von externen Einflüssen (z.B. Regierungen) und völlig objektiv (d.h. auf Grund der vorliegenden Sachverhalte/Datenlage) agieren können – ansonst wäre sie nur ein vollkommen ungeeignetes Instrument ohne Akzeptanz der relevanten (Finanz-) Märkte. Diese vergleichen und hinterfragen deutliche Abweichungen zwischen den Einstufungen der verschiedenen Ratingagenturen und schließen permanent zu gute oder schlechte Einstufungen aus ihrer Entscheidungsbasis aus (was bereits die Versuche von – v.a. neu gegründeten - Ratingagenturen vereitelte, über bessere Ratings mit Emittenten ins Geschäft zu kommen).
Die drei genannten Ratingagenturen sind nicht nur weltweit aktiv, haben einen langen, durch backtestings wiederholt bestätigten 'track record' und sind bei Emittenten wie Investoren anerkannt (auch wenn sie – wie andere Agenturen – nicht immer vor Fehlern gefeit sind), sie sind auch – neben einigen weiteren Ratingagenturen (darunter befindet sich keine deutsche Agentur!) – von der US-amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde SEC für den größten Kapitalmarkt der Welt (USA) akzeptiert (‚recogniced‘) sowie in Europa zugelassen/beaufsichtigt (‚registriert‘) und unterliegen damit einer gewissen Qualitätskontrolle. Die wenigen deutschen Ratingagenturen sind – auch wenn sie EU-weit zugelassen sind – vorwiegend nur national tätig und auf das Mittelstandsegment bzw. den Grauen Markt beschränkt. Vor diesem Hintergrund fehlt ihnen internationale Expertise und Akzeptanz, was ihnen den Zugang zu d en internationalen Kapitalmärkten und deren Akteuren weitestgehend verwehrt.
Die angestrebte Eindämmung des Einflusses des genannten Ratingoligopols könnte auf EU-Ebene u.E. vor allem durch Änderung von (bank-/versicherungs-) aufsichtsrechtlichen Bestimmungen und regulatorischen Sicherheitenanforderungen sowie einer gesetzlichen Änderung der Anlagevorschriften für verschiedene institutionelle Investoren (z.B. Banken, Versicherungen, Pensionskassen) bei Schuldpapieren erfolgen. Hier wäre der explizite Bezug auf die genannten Ratingagenturen oder bestimmte Ratings von diesen Agenturen zu unterlassen – auch wenn implizit das Know how und die – veröffentlichten - Risikoeinschätzung (Bonität/Ausfallwahrscheinlichkeit) dieser Agenturen weiterhin Beachtung fänden.
Was bedeutet nun die Rating-Herabstufung für die betroffenen Länder?
Hierbei sind Ursachen und Folgen zu betrachten. Hauptgrund einer Herabstufung ist die mehr oder weniger starke Verschlechterung/Eintrübung der Bonität oder Kreditwürdigkeit eines Landes bzw. der von seinen Einrichtungen emittierten oder garantierten Schuldpapiere (Staatsanleihen): die Leistung von Zinsen und Tilgungen der (aufgenommenen oder angestrebten) Kredite ist – nach Meinung der Agentur(en) - nicht mehr unter allen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gesichert (wg. Überschuldung, hohes Haushaltsdefizit und/oder Leistungsbilanzdefizit, fehlender Wettbewerbsfähigkeit, veraltete Wirtschaftsstrukturen uam.).
Weitere Gründe, die zu Ratingveränderungen oder den Beobachtungsstatus (s.o.) führen können, sind insbesondere finanz-/wirtschaftshemmende Gesetze (z.B. Devisenbeschränkungen, Sonderabgaben, abhängige Nationalbank) und privatwirtschafts-/innovationsskeptische Regierungen nach Neuwahlen (z.B. partielle Verstaatlichungen wichtiger Industrien, Förderung/Aufrechterhaltung defizitärer Staatsunternehmen und veralteter Wirtschaftsstrukturen) sowie politische und /oder soziale Instabilität (z.B. Unruhen).
Zu den wesentlichsten Auswirkungen einer Ratingherabstufung (was vice versa auch für eine Heraufstufung gilt) zählt eine Verteuerung der Kreditaufnahme für das betroffene Land infolge Erhöhung der geforderten Risikoprämie durch die Kreditgeber. Je stärker die Herabstufung bzw. je schlechter das erhaltene Rating umso höher wird die geforderte Risikoprämie (‚Spread‘) als Ausdruck der erlittenen Vertrauenseinbuße. Und das kann sich – je nach Verschuldung des Landes – gravierend auf die Finanzsituation eines Landes auswirken (Neuverschuldung, Haushaltsdefizit, Auslandsverschuldung in % des BIP) und auch die Volkswirtschaft schwer beeinträchtigen, falls das Land von laufenden/weiteren oder erhöhten Kapitalimporten abhängig ist; jeder für Zinsen aufgewendete Euro fehlt für dringend notwendige Investitionen in Innovationen und Strukturverbesserungen. Letztlich können private (institutionelle) Gläubiger völlig wegbleiben (was u.U. auch mit deren gesetzlich vorgegebenen oder durch Statuten festgelegten Anlagevorschriften zusammenhängt).
Spätestens zu diesem Zeitpunkt werden Umschuldungsverhandlungen mit den Gläubigern unumgänglich, um die benötigten (Anschluss-) Finanzierungen des Landes sicher zu stellen. Diese münden im Erfolgsfalle zumeist in einer Umstrukturierung der Schulden (z.B. Tilgungsstreckung), verbunden mit der Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit. Bisweilen müssen in diesem Rahmen auch internationale Organisationen/Maßnahmen (z.B. IWF, EZB, Brady-Plan, konzertierte überstaatliche Rettungsaktionen) helfend einspringen, um eine – zumindest partielle - Insolvenz des Landes (z.B. Schuldenschnitt) zu vermeiden. Auch wenn es wegen der Hilfen nicht zur Insolvenz kommt, wirken sich die von den genannten Organisationen als Bedingung eingeforderten Struktur- und Sparmaßnahmen zumeist kfr/mfr. kontraproduktiv auf die Wirtschaftsentwicklung/Konjunktur aus.
Hinweis: In der Vergangenheit wurden von den staatlichen Gläubigern u./o. privaten Gläubigerbanken (‚Pariser Club‘/‚Londoner Club‘) nach Umschuldungsverhandlungen zumeist (vollständige) Schuldenerlasse oder Ratentilgungen (partiell mit Grace-Periods) angeboten/vereinbart. In Griechenland ist z.Zt. – nach unzureichenden Tilgungsstreckungen – ein Schuldenschnitt (Verzicht der privaten Gläubiger) von 70% im Gespräch. Hierbei ist anzumerken, dass die Kurse der umlaufenden Staatsanleihen infolge der vorangegangenen Downgradings schon deutlich gesunken sind, was in den Büchern der meisten institutionellen Gläubiger bereits berücksichtigt ist (‚Abschreibungen‘). Die staatlichen Gläubiger (inkl. EZB) sind bislang von einem möglichen Schuldenschnitt ausgenommen; im Gegenteil sollen sie weitere Mittel/Garantien zur Verfügung stellen.
Falls die vorgenannten Maßnahmen nicht (rechtzeitig und hinreichend) greifen, ist eine Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit) nicht zu vermeiden. Sie bedeutet idR. den Totalverlust für die Gläubiger eines Landes. Um einen Neuanfang (= Zugang zu den Finanzmärkten) zu erleichtern, bieten diese Länder – nach ihrer wirtschaftlichen ‚Gesundung‘ – den Gläubigern häufig einen partiellen Ersatz für den erlittenen Verlust an.
Nicht zuletzt ist es der Reputationsschaden, der Vertrauensverlust in die Zuverlässigkeit eines Staates, seine Schulden vertragsgemäß zu bedienen, der für lange Zeit die potentiellen Gläubiger und Investoren von einem (erneuten) Engagement abhält.
Dass es nicht immer so dramatisch verlaufen muss zeigt ein Blick auf die von S&P um eine Ratingstufe auf AA+ herabgestuften Länder Frankreich und Österreich (die sich damit z.Zt. bei allen drei Agenturen vor Japan und China sowie auf einer Ratingstufe mit den USA, aber bei S&P hinter der Schweiz und Großbritannien befinden). Obwohl beide ihr Triple A verloren (und auf die Beobachtungsliste für weitere Herabstufungen gesetzt wurden), konnten sie sich am Kapitalmarkt wieder zu beinahe unveränderten Konditionen refinanzieren. Dies ist v.a. der Tatsache geschuldet, dass der Risikoaufschlag – abgeleitet insbesondere aus den zurück liegenden (sehr geringen) Ausfällen auf diesem Ratingniveau – über alle AA-Klassen äußerst moderat ist.
Hinweis: der dergestalt ermittelte Spread steigt erst zwischen den B und C-Ratingklassen (‚Speculative Grade‘) exponentiell an.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Wirtschaftsstruktur, die Wirtschaftskraft, die Wettbewerbsfähigkeit und die meisten anderen volkswirtschaftlichen Indikatoren der beiden Länder deuten darauf hin, dass diese mit ihren ratingrelevanten Schwachstellen unschwer fertig werden können. Darüber hinaus war die Herabstufung dieser Länder angekündigt bzw. erwartet worden und wurde von den Finanzmärkten bereits ‚eingepreist‘ (Erhöhung der Risikoaufschläge/Spreads für Neuemissionen, nachgebende Kurse umlaufender Anleihen).
Nichtsdestotrotz ist der erhobene Zeigefinger für alle herabgestuften Länder ein Zeichen, ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Anstrengungen zu verstärken, um die von den Agenturen angemahnten adversen Tendenzen bzw. Missstände zu beseitigen.
Die in den herabgestuften Ländern beheimateten bzw. tätigen privaten wie staatlichen Unternehmen sind von dem Downgrading ebenfalls betroffen.
Vor allem die zumeist erforderlichen Konsolidierungsmaßnahmen der Regierungen wirken sich vielfältig unmittelbar u./o. mittelbar auf die Unternehmen aus. Wegbrechende Staatsaufträge (z.B. Infrastruktur, Bau, Sozial- und Bildungssektor) betreffen weite Bereiche des privatwirtschaftlichen Sektors und ihre Beschäftigten (Umsatzeinbußen, Entlassungen), Privatisierungen verbunden mit Personalabbau im öffentlichen Dienst verringern ebenfalls die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten und verstärken die Erwerbslosigkeit bzw. erhöhen den Zuschussbedarf der Arbeitslosen- und Sozialversicherung, wegbrechende Steuereinnahmen des Staates sollen durch Steuererhöhungen für Unternehmen und Erwerbstätige kfr. kompensiert werden, die aber die Konjunktur, Gewinne und Einkommen beeinträchtigen, sowie nicht zuletzt eine geringere Förderung bzw. Subventionsabbau durch die Regierungsinstitutionen belasten ggfls. die Unternehmen. Unter Umständen werden sogar Devisentransferbeschränkungen zur Verhinderung von Kapitalflucht erlassen (was die Finanzierung erschwert bis blockiert).
Die Wirtschaft wird insgesamt in Mitleidenschaft gezogen – es besteht Rezessionsgefahr und die Unternehmensratings geraten auf breiter Front unter Druck.
Auch wenn langfristig Strukturänderungen und Investitionen in neue Wirtschaftszweige realisiert werden, die die Wirtschaftskraft stärken, die Beschäftigung ankurbeln und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen bleibt die Frage offen, wie die Unternehmen und die wirtschaftlich Tätigen diese ‚Durststrecke‘ unter den angeführten Bedingungen finanziell und sozialpolitisch überstehen oder zu neuen Aktivitäten nutzen können (Gefahr von Insolvenzen und Unruhen/Streiks, aber auch Existenzgründungen).
In Bezug auf die Finanzierungsperspektiven von Unternehmen infolge einer Herabstufung von Ländern gibt es Parallelen zu deren Finanzsituation.
Als eine der wesentlichsten Folgen ist die Verteuerung der Kredite zu nennen, da die geforderten Risikoprämien eng mit dem Rating bzw. der dahinter stehenden Ausfallwahrscheinlichkeit zusammen hängen. Auch und insbesondere bei Unternehmenskrediten werden die Gläubiger/Banken generell zurück haltender – es kann zu einer sogenannten Kreditklemme (Ausbleiben von hinreichenden Kreditgebern) kommen. Jedenfalls erhöhen diese ihre Sicherheitenanforderungen, d.h. sie verlangen höhere Eigenkapitalquoten, (weitere) Grundschulden, Bürgschaften uam.
Auf die Finanzsituation der Unternehmen wirken sich ggfls. auch die bereits genannten Punkte Subventionsabbau und Kürzung staatlicher Förderung sowie Devisentransferbeschränkungen aus.
Die Herabstufungen betreffen gegenwärtig besonders eine Branche: den Finanzsektor. Dieser ist – überwiegend mit Unterstützung ihrer Regierungen – mit der Abarbeitung der Immobilien-/Finanzkrise vollauf beschäftigt, zu der neben erheblichen Abschreibungen und Restrukturierungen eine deutliche Anhebung des Eigenkapitals (vorgeschriebene aufsichtsrechtliche Kernkapitalquote: 9%) zählt.
Letztere wird nun angesichts gesunkener Aktienkurse, einer angespannteren Liquiditäts- und Refinanzierungslage, dem Engagement der Banken in Staatsanleihen herabgestufter oder ausfallgefährdeter Länder und damit verbunden verunsicherter und zurückhaltender Anleger/Investoren erheblich erschwert (was sichtliche Kurszugeständnisse für Aktienemissionen erfordert und zusätzlich Druck auf die Ratingeinstufungen der Institute ausübt).
Hinweis: Ratings werden grundsätzlich nur für Schuldpapiere und nicht für (Stamm-) Aktien erteilt.
Früher in der EU eher eine theoretische Frage, könnte es für die Unternehmen in herabgestuften/mäßig gerateten Ländern mehr und mehr zu einem (Finanzierungs-) Thema beitragen: das jeweilige ‚Country Rating‘ und das damit verbundene ‚Country Ceiling‘.
Das bedeutet, dass ein Unternehmen grundsätzlich nicht besser geratet wird als das Land, in dem es domiziliert – was (wie bei jeder Ratingänderung) u.a. unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzierungsperspektiven der Unternehmen haben kann.
Hintergrund dieser Deckelung der Ratingobergrenze von Unternehmen ist zum einen die Eintrübung des (gesamt-) wirtschaftlichen Umfeldes der ansässigen Unternehmen (ausgedrückt im Rating/der Ratingherabstufung des Landes), die Macht der Staaten/Regierungen, ihre Unternehmen per Gesetz oder sonstige (Zwangs-) Maßnahmen an ihrer Konsolidierung zu beteiligen (z.B. Steuerhöhungen, Sonderabgaben, Subventionsabbau) sowie ggfls. Konvertibilitäts- und Transferbeschränkungen zu erlassen (T&C-Risiko) und nicht zuletzt die – ebenfalls durch das Rating ausgedrückte – eingeschränkte Möglichkeit der Staaten/Regierungen, ihre Unternehmen im Bedarfsfall zu unterstützen (soweit es die EU-Wettbewerbsregelungen zulassen).
Letzterer Punkt ist vor allem für den Finanzbereich/Bankensektor relevant, für den im Besonderen die ‚Too big to fail‘ bzw. zunehmend ‚Too linked to fail‘-Hypothese gilt. Hierbei gilt es, Störungen der gesamten Volkswirtschaft eines Landes (z.B. Kreditversorgung der Wirtschaft, Finanzierung des Staates, Spareinlagensicherung, Zahlungsverkehr) oder grenzüberschreitende (‚systemische‘) Auswirkungen (‚Contagion-/Domino-Effekt‘) durch staatliche/internationale Unterstützungsmaßnahmen/Garantien zu verhindern.
Während in Deutschland ein Unternehmen mit Bestrating per se nicht höher als das Land (AAA) eingestuft werden kann, sieht es bei Unternehmen der europäischen Mittelmeeranrainerstaaten, Irland und Island (und insbesondere in Entwicklungsländern) in vielen Fällen anders aus. Hier werden die Unternehmen infolge des Downgrading ihres Heimatlandes regelmäßig ebenfalls herabgestuft (was insbesondere für Unternehmen gilt, die zuvor wie das Land eingestuft wurden).
Unmittelbar von einer Änderung des Länderratings betroffen sind natürlich auch Unternehmen im Staatsbesitz, deren Rating zumeist mit jenem des Landes identisch ist.
Eine Ausnahme von der angesprochenen Ratingdeckelung durch das Country Ceiling (wg. T&C-Risiko) bilden vor allem Niederlassungen ausländischer und ausländisch dominierter Unternehmen, von deren Muttergesellschaft/Konzern im Bedarfsfall eine hinreichende Unterstützung (Finanzierung) zu erwarten ist sowie Unternehmen mit überwiegend ausländischen Märkten, welche dort ihre (meisten) Erträge generieren und dort ggfls. (Fremd-) Kapital aufnehmen können (und durch ihren Devisentransfer zur Zentrale die Heimatländer sogar unterstützen).
Zusammenfassung:
Aufgabe von Ratingagenturen ist die (möglichst) objektive und unabhängige Beurteilung der Bonität von Schuldnern und deren Emissionen (ausgedrückt in den verschiedenen Ratings).
Die jüngste Herabstufung einiger EU-Länder (und die Bestätigung des Ratings anderer) ist ursächlich der politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Lage der betroffenen Länder geschuldet, und nicht dem Unvermögen der involvierten ‚amerikanischen‘ Ratingagenturen anzukreiden – wie man es verschiedentlich in Kommentaren hören oder lesen konnte.
Die Folgen einer Ratingherabstufung von Ländern hat zum einen das betroffene Land selbst bzw. dessen Regierung durch geänderte Kreditkonditionen für Neuemissionen (‚Spread‘) und die Gläubiger durch einen Kursverfall der umlaufenden Staatsanleihen (‚Kursverluste‘) zu tragen.
Eine solche Ratinganpassung schlägt sich aber auch vielfältig auf die Wirtschaft des betroffenen Landes nieder. So wirkt sie sich häufig in einer gleichgerichteten Ratinganpassung von Unternehmen dieses Landes aus, die – bei einem Downgrading – regelmäßig eine Verteuerung der Finanzierung nach sich zieht. Darüber hinaus ist eine Ratingherabstufung Ausdruck eines eingetrübten wirtschaftlichen Umfeldes und einer verringerten Unterstützungsmöglichkeit durch den Staat im Bedarfsfall.
Und nicht zuletzt steigt mit sinkendem Länderrating (= Anstieg der Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfähigkeit) die Gefahr von staatlichen Kapitalverkehrsbeschränkungen (T&C-Risiken), welche die Unternehmen daran hindern, ihre Fremdwährungsverbindlichkeiten zu bedienen, was wiederum die Ratings der Unternehmen begrenzt.
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